Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Johann Christopher Witten
* 27.November 1794
4.August 1815
Halbhof “Cohrs”
Schwalingen im Sommer 1814.
Obwohl Kaiser Napoléon vor zwei Jahren die große Niederlage seiner
Armee im Russlandfeldzug erlebte, ist die französische Besatzungszeit für die
Menschen im Königreich Hannover noch nicht vorüber. Das Heidedorf
Schwalingen und das ganze Königreich Hannover gehören sogar zum
Kaiserreich Frankreich. Die Menschen haben, wenn überhaupt Geld, dann
französische Franken und Centimes in der Tasche und keine Thaler oder
Groschen. Alle amtlichen Dokumente sind zweisprachig abgefasst und die
Amtsleute quälten sich nur ungern mit dem Französischen ab.
Es ist ein schwerer Tag im Juli 1814 für die Menschen auf dem
Schwalinger “Cohrs-Hof”. Halbhöfner Hinrich Wilhelm Witten und sein
Bruder Hans Friedrich Witten, Köthner aus Neuenkirchen, verabschieden
schweren Herzens ihren jüngsten Bruder, Johann Christopher Witten, in
den Kriegsdienst. Johann Christopher fällt mit seinen 19 Jahren unter die seit
Dezember 1813 im Königreich Hannover geltende Allgemeine Wehrpflicht
und folgt nun dem Gestellungsbefehl, der ihn zu den hannöverschen Truppen
ruft. Es geht darum, die französischen Besatzer endgültig aus dem Land zu
treiben und das Königreich Hannover zu befreien.
Johann Christopher Witten wird sich wohl freiwillig zum Wehrdienst
gemeldet haben, denn er wird nicht dem Landwehrbataillon Verden
zugeteilt, in dem überwiegend die gezogenen Wehrpflichtigen dienen.
Johann Christopher wird in die 2.Compagnie des Feld-Bataillons
Lüneburg eingestellt, in dem weitgehend nur Männer dienen, die sich dem
Militärdienst verschrieben haben.
Das Feld-Bataillon Lüneburg steht zu dieser Zeit bei Bremen im
Quartier. Im August 1814 wird es, wie auch schon die anderen
hannöverschen Truppen, nach den Niederlanden verlegt. Auf dem
vierwöchigen Marsch dorthin kommt Johann Christopher nahe an seinem
Heimatort Neuenkirchen vorbei: Am 21.August marschiert er mit seinem
Bataillon durch Soltau. Am 17.September erreicht es seinen neuen
Standort Antwerpen und bezieht Quartier auf der Zitadelle. Die nächsten
Monate vergehen mit Wachdienst, Ausbildung und Truppenübungen.
Als sich Anfang März 1815 die Nachricht von der Flucht Napoléons
von der Insel Elba und seiner Ankunft in Frankreich verbreitet, wird auch
das Feld-Bataillon Lüneburg auf die bevorstehenden kriegerischen
Auseinandersetzungen vorbereitet. Es wird in die 1.Hannöversche Brigade
der englischen Armee eingebunden und zum Vorpostendienst an die
französische Grenze nach Mons verlegt. Anfang Mai steht Johann Christopher
Witten mit dem Feld-Bataillon Lüneburg in der Nähe von Soignés.
Am 16.Juni morgens gegen 3 Uhr wird das Feld-Bataillon Lüneburg in
Soignés alarmiert und den angreifenden französischen Truppen entgegen
geschickt. In den folgenden 17 Stunden befindet sich Johann Christopher bei
sengender Sonne auf dem Marsch und im Gefecht um die strategisch wichtige
Straßenkreuzung bei Quatre-Bras. Es ist das Gefecht, in dem Peter
Christopher Lünzmann im Landwehrbataillon Verden schwer verwundet wird
(mehr...).
Die englisch-hannöverschen Truppen ziehen sich zurück, um sich bei dem
kleinen Ort Waterloo für die entscheidene Schlacht gegen die französische
Armee aufzustellen. Sie beginnt am 18.Juni 1815 um 10.30Uhr. Der Schlüssel
der Schlachtaufstellung der englisch-hannöverschen Truppen ist ein Meierhof
Das Schlachtfeld bei Waterloo am 18Juni 1815.
Johann Christopher Witten ist unter den Soldaten des Feld-Bataillions Lüneburg
in der 1.Hannoverschen Brigade der Englisch-Alliierten Streitmacht.
auf einer Anhöhe, La Haye Sainte. Das Feld-Bataillon
Lüneburg wird zur Verstärkung in den wütenden Kampf
um diesen Meierhof geschickt und dabei unter hohen
Verlusten völlig auseinander gesprengt. An dem siegreichen
Abschluss der Schlacht kann es nicht mehr teilnehmen. Die
wenigen überlebenden Soldaten werden von ihren
Offizieren gesammelt und nach Brüssel zurück gezogen
(mehr...).
Dieser erbitterte Kampf um die Anhöhe La Haye Sainte
ist es wohl, bei dem auch Johann Christopher Witten durch
Gewehrkugeln an Arm und Bein schwer verwundet wird. Er
muss bei den tausenden Gefallenen und Verwundeten auf
dem Schlachtfeld aushalten, bis ihn Sanitäter finden. Erst 9
Tage später, am 27.Juni 1815, wird er in das Königlich-
Hannöversche General-Feldhospital in Antwerpen
eingeliefert, wo seine Wunden behandelt werden. Um diese
Jahreszeit grassiert das Sumpffieber in dem tiefliegenden Antwerpen.
Es ist bereits Herbst als sich auf dem Schwalinger “Cohrs-Hof”
Hinrich Wilhelm Witten und sein Bruder Hans Friedrich immer wieder
über den Brief beugen, den der Postbote gebracht hat. Er enthält den
Totenschein für einen Soldaten mit dem Namen 'Christian' Witte aus
Neuenkirchen, der am 4.August 1815 im Militär-Hospital zu Antwerpen
an seinen Wunden verstorben ist.
Die bangen Hoffnungen von Hinrich Wilhelm und Hans Friedrich
Witten, dass es sich nicht um ihren Bruder handeln möge, werden
ausgelöscht, als Hinrich Baden aus Hartböhn gegen Ende des Jahres
1815 aus Antwerpen zurück kommt. Er lag ebenfalls verwundet im
Militär-Hospital und bestätigt aus eigenem Wissen, dass Johann
Christopher Witten tatsächlich dort im August gestorben ist. Der Name
'Christian' auf dem Totenschein ist ein Irrtum....