Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Johann Bruns
* 6.3.1888
17.November 1914
Halbhof “Schmeers”, Schwalingen No.30
Schwalingen im Sommer 1914.
Vorgeschichte
Nach dem frühen Tode von Dietrich Heinrich Christoph Böhling, Halbhöfner
auf dem "Schmeers-Hof", im Mai 1901, trifft seine 2.Ehefrau und Witwe mit
Zustimmung der Vormünder ihrer Kinder eine unübliche, weitreichende
Entscheidung: Anna Maria Böhling, geborene Lünsmann aus Brochdorf, 51 Jahre
alt, löst den Halbhof "Schmeers" auf. Haus und Hof, der umfangreiche
Grundbesitz und das gesamte Inventar werden verkauft. Sie zieht mit ihren
beiden minderjährigen Kindern zu ihrer Familie nach Brochdorf.
Aus der Masse des verkauften "Schmeers-Hofes" erwirbt Friedrich Bruns die
Hofgebäude, den Hofplatz und einige Grundstücke zur landwirtschaftlichen
Nutzung. Er ist nachgeborener Sohn des Neubauern Friedrich Bruns zu
Westerholz bei Scheeßel und 42 Jahre alt, als er sich im Dezember des Jahres
1903 mit seiner Familie in Schwalingen niederlässt - mit seiner Ehefrau
Margarethe geborene Klee aus Westeresch und seinen 4 Kindern: Johann, 15
Jahre alt, Anna, 13 Jahre alt und Fritz, 11 Jahre alt, alle drei in Jeersdorf geboren
und dem 6jährigen Wilhelm, der in Westerholz zur Welt kam. Ihr neues Zuhause
ist der "Schmeers-Hof" zu Schwalingen No.30.
Wenige Jahre später, im Mai 1909 heiratet Anna Bruns mit 18 Jahren den
27jährigen Anbauern und Tischler August Gebers zu Schwalingen No.60. Er ist
Sohn des Anbauern und Musikers Wilhelm Gebers vom "Harm-Hof" zu
Schwalingen No.25, einer alteingesessenen Schwalinger Familie.
Johann Bruns heiratet im Juli 1912, 24 Jahre alt und Pferdeknecht von
Beruf. Seine Braut ist die 22jährige Schwalinger Dienstmagd Auguste Alwine
Schröder, gebürtig aus Sprengel. Ihr Sohn Hermann Wilhelm wird im Oktober
1912 geboren. Die junge Familie lebt bei Johann Bruns' Eltern auf dem
"Schmeers-Hof" in Schwalingen.
Im Krieg
Als im August 1914 der Krieg ausbricht, ist Johann Bruns, 26 Jahre alt.
Am 3.August 1914 erfährt er aus der "Böhme-Zeitung", dass Kaiser Wilhelm II.
die Mobilisierung des Heeres und der Marine befohlen hat. Alle Wehrdienst-
pflichtigen werden aufgefordert, sich innerhalb weniger Tage in die
Landsturmrolle beim Gemeindevorsteher ihres Dorfes eintragen zu lassen: Das
Deutsche Kaiserreich hat als Verbündeter des Kaiserreiches Österreich dem
Kaiserreich Russland und dem Kaiserreich Frankreich den Krieg erklärt.
Schon wenige Tage später befindet sich Johann Bruns aufgrund seiner
früheren militärischen Ausbildung in der Rekrutenzeit als Hornist der Reserve
im Range eines Sergeanten bei der 4.Kompagnie des 2.Hannoverschen
Infanterie-Regimentes Nr.77 im Lager des Truppenübungsplatzes Elsenborn
südlich von Aachen, nahe der belgischen Grenze. Am 11.August 1914 marschiert
er mit seinem Regiment als Teil der 20.Infanterie-Division in der 2.Armee des
deutschen Heeres in das neutrale Belgien ein. Das Königreich England erklärt
dem deutschen Kaiserreich daraufhin den Krieg.
Es ist der Plan der deutschen Heeresleitung, mit ihren 7 Armeen in einer
einzigen großen Bewegungsschlacht, das französische Heer vernichtend zu
schlagen, der "Schlieffen-Plan". Die Mannschaften des deutschen Heeres sind
daher überwiegend zuversichtlich, "schon zu Weihnachten 1914 siegreich wieder
Zuhause" zu sein.
Bis Anfang September 1914 haben die deutschen Armeen Belgien durchquert
und stehen in Nordfrankreich. Das Infanterie-Regiment Nr.77 mit Johann Bruns
bewegt sich dabei auf dem im "Schlieffen-Plan" für die 2.Armee im Vormarsch
vorgesehen Bogen über Lüttich, Charleroi in Belgien und weiter auf franzö-
sischem Gebiet nach Guise und St.Quentin.
In der 2.Woche des September 1914 ist die Frontlinie des deutschen Angriffs
bis östlich Paris vorgeschoben. Hier, südlich des Flusses Marne haben sich die
bisher zurück gewichenen französischen Armeen mit Unterstützung des
englischen Expiditionsheeres zum Wiederstand neu formiert. Es kommt zur
"Schlacht an der Marne". Die 20.Infanterie-Division mit dem Infanterie-
Regiment Nr.77 und Johann Bruns steht in der vordersten Front bei
Mondement, ihm gegenüber französisch-marokkanische Einheiten.
Das deutsche Heer ist zwar den Zahlen nach an Truppen und Material den
französisch/englischen Armeen überlegen. Aber die enorme Marschleistung in
äußerst kurzer Zeit haben Menschen und Material des deutschen Heeres
erschöpft. Die Versorgungslinien für Lebensmittel und Munition können den
Bedarf an Nachschub nicht mehr leisten, die Entfernungen sind zu schnell zu
groß geworden.
Als die deutsche Heeresleitung in dieser Lage schließlich erkennt, dass ein
bereits anlaufender Angriff des Gegners die nur schwach besetzte Frontlinie an
der Nahtstelle zwischen der 1. und der 2.Armee durchbrechen könnte, ordnet sie
am 8.September 1914 zunächst den Rückzug der 2.Armee an, dann die
Rücknahme der gesamten deutschen Front, die "Schlacht an der Marne" ist
verloren.
Im kämpfenden Rückzug weicht auch die 20.Infanterie-Division mit dem
Infanterie-Regiment Nr.77 und Johann Bruns in den nächsten Tagen zurück
nach Norden, Richtung Reims - hinter dem Fluß Aisne nördlich von Reims soll
die neue deutsche Front als Verteidigungslinie gegen die verfolgenden
französischen/englischen Gegner aufgebaut werden - der Beginn des
Stellungskrieges.
Der Schwerpunkt des Krieges an der Westfront verlagert sich gegen Ende
Oktober 1914 nach Flandern, wo die "Erste Flandernschlacht" ausgetragen wird.
Das verschafft den erschöpften Divisionen in den Stellungen an Aisne einige
Wochen, die im Vergleich zu den vorangegangenen trotz gelegentlichem
Artilleriebeschuss und der Abwehr begrenzter französischer Vorstöße gegen die
deutsche Frontlinie, von den Soldaten als eher "ruhig" empfunden werden.
Aber die "Erste Flandernschlacht" verläuft für die deutsche Heeresleitung
nicht erfolgreich. Die mit diesem Großangriff des deutschen Heeres auf den
französischen/englischen Gegner im Raum der belgischen Kanalküste in
Westflandern verbundene Absicht, das englischen Expeditionskorps einzukessel
und von seinen Versorgungslinien abzuschneiden, droht Anfang November 1914
trotz größter Opfer an Menschenleben zu scheitern.
Die deutsche Heeresleitung aktiviert daher nochmals Reserven, indem aus
den weiter südlichen Frontabschnitten Einheiten abgezogen und eilends nach
Flandern in die Schlacht verlegt werden. Auch die 20.Infanterie-Division
erreicht an der Aisne der Befehl, Einheiten zu diesem Zweck vorübergehend
abzugeben: Das Infanterie-Regiment Nr.77 mit Johann Bruns ist darunter. Es
wird der neu geschaffenen "Division Hofmann" zugeteilt, die am 12.November
1914 per Eisenbahntransport von Bazancourt nordöstlich von Reims aus nach
Flandern verladen wird. Ausladebahnhof ist Tourcoing, der Grenzort zwischen
dem belgischen und französischen Flandern. Hier trifft die "Division Hofmann"
zwei Tage später ein. Am folgenden Tag, der 15.November 1914, wird sie in die
Stellungen der 15 km entfernten Front vor Ypern verlegt.
Schon in den vorangegangenen Tagen waren an diesem Frontabschnitt
verlustreiche Vorstöße deutscher Regimenter gegen die gegenerischen
englischen Stellungen erfolglos geblieben. Nun rückt als Ersatz der erschöpften
Einheiten das Infanterie-Regiment Nr.77 mit Johann Bruns in der Nacht vom 15.
auf den 16.November 1914 in die Gräben der vordersten Linie ein. Es erhält den
Befehl, die nur wenige Meter entfernten englischen Stellungen im Sturm zu
durchbrechen und das Dorf Zillebeke vor Ypern zu besetzen. Es ist derselbe
Befehl, mit dem die deutschen Angriffe an den Vortagen in der überlegen starken
englischen Verteidigung unter hohen Opfern scheiterten...
Als Zeitpunkt für den Angriff wird der 17.November 1914 bestimmt. Er
beginnt um 11:00Uhr mit einer zweistündigen Vorbereitung durch Artillerie-
beschuss der englischen Stellungen. Um 13:00Uhr steigen die Kompagnien des
Infanterie-Regimentes Nr.77 mit Johann Bruns zum Sturmangriff aus den
schützenden Gräben. Es gelingt ihnen, in die vordersten Gräben der englischen
Linie einzudringen. Aber die erlittenen Verluste sind derart hoch, dass das
errungene Gelände sofort wieder aufgegeben werden muss. Nur Reste der
deutschen Einheiten erreichen die eigenen Linien wieder.
Am Abend des 17.November 1914 meldet die "Division Hofmann" den
Verlust von 2640 Soldaten, darunter auch der Hornist der Reserve Johann
Bruns, 26 Jahre alt.
Der deutsche Sturmangriff auf die englischen Stellungen am 17. November
1914 in dem Johann Bruns fiel, war der zunächst letzte Versuch, Ypern zu
erobern. Die "Erste Ypern-Schlacht" war für die deutsche Heeresleitung verloren.
Auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Langemark, unweit von Ypern, ist
die Grabstätte des Soldaten Johann Bruns zu finden, Block B, Grab 18476. Es
trägt keine weiteren Angaben.
Nachgeschichte
Ende Januar 1915 trifft in der Familie Bruns auf dem Schwalinger
"Schmeers-Hof" ein Brief ein von der 4.Kompagnie des 2.Hannoverschgen
Infanterie-Regimentes Nr.77 - er enthält die "Bescheinigung", unterschrieben
vom Kompagnieführer und Leutnant Menke,
daß der Hornist Johann Bruns, geb. 6.3.1888, am 17.November 1914
nachmittags, bei einem Sturmangriff den Heldentod gefunden hat.
Johann Bruns' minderjähriger Sohn Hermann Wilhelm erbt von seinem
Großvater Friedrich Bruns den "Schmeers-Hof" zu Schwalingen No.30. Seine
Mutter Auguste Alwine Bruns, geborene Schröder, ist seine gesetzliche
Vertreterin.
Im Jahre 1925, nahe dem Höhepunkt der Inflation im Nachkriegs-
Deutschland, entscheidet Auguste Alwine Bruns in Wahrung der Interessen ihres
minderjährigen Sohnes, den "Schmeers-Hof" mit Haus, Hofplatz, allen Grund-
stücken und vollständigem Inventar zu verkaufen. Käufer der Hofstelle ist der
Landwirt Friedrich Johannes Heinrich Schröder *1894 aus Lünzen-Bult Nr.1.
Auguste Alwine Bruns, 36 Jahre alt, verlässt Schwalingen mit ihrem Sohn
Hermann Wilhelm, 13 Jahre alt, und ihren Schwiegereltern Friedrich Bruns, 64
Jahre und Margarethe geborene Klee, 63 Jahre alt. Sie siedeln um nach Hillern.
Der Halbhof “Schmeers”,
um 1900
Deutsche Verlustliste, Januar 1915
Beginn des Vormarsches des deutschen Heeres, August 1914
Die 20.Infanterie-Division
in der Rückzugsfront bei Reims,
Ende September 1914
Es wird hiermit bescheinigt, daß der Hornist Johann Bruns,
geb. 6.3.1888, am 17.November 194 nachmittags, bei einem
Sturmangriff den Heldentod gefunden hat.