Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Dietrich Wilhelm Heinrich Casten
* 31.Januar 1883
12.April 1918
Anbauerstelle “Cassens”, Schwalingen No.57
Schwalingen im Frühjahr 1918
Vorgeschichte
Seit mehreren Jahren schon ist die Häuslingsfamilie von Heinrich und Marie
Meyer in Schwalingen ansässig. Vielleicht ist ein Rat von Marie Meyer, geborene
Stöckmann, der Anlass, dass ihr Cousin, der Anbauer Heinrich Christoph
Wilhelm Casten im Jahre 1906 mit seiner Familie von Amtsfelde bei Frielingen
ebenfalls nach Schwalingen umsiedelt. Die Mutter von Marie Meyer und der
Vater von Wilhelm Casten sind Geschwister aus der Zimmererfamilie Casten in
Bommelsen.
Im Oktober 1906 jedenfalls erwirbt Heinrich Christoph Wilhelm Casten ein
Grundstück am nördlichen Rand des Dorfes von Wilhelm Gebers, Neubauer
"Kröger" zu Schwalingen No.24 zur Errichtung einer eigenen Anbauerstelle: Der
"Cassens-Hof", er erhält die Haus-No.57.
(Im Dezember desselben Jahres 1906 machen sich übrigens Heinrich und
Marie Meyer ebenfalls als Anbauer in Schwalingen selbstständig und erwerben
einen Hofplatz im Westen des Dorfes: Der "Bargmeyer-Hof", Schwalingen
No.58.... mehr...)
Heinrich Christoph Wilhelm Casten und seine Ehefrau Magdalene, geborene
Harms, ziehen nicht allein auf ihrer neu gegründeten Hofstelle ein. Auch ihr
24jähriger Sohn Dietrich Wilhelm Heinrich lebt und arbeitet mit seiner Ehefrau
Marie Dorothee, geborene Sandmann, bei seinen Eltern auf der Anbauerstelle.
Im Juni 1908 wird hier ihr erstes Kind geboren, Heinrich Casten, im Dezember
1909 kommt Tochter Minna zur Welt, dann Mariechen.
Es sind noch keine 6 Jahre vergangen, seit die Familie Casten in
Schwalingen ihre Hofstelle gründete, als Kaiser Wilhelm II. am 1.August des
Jahres 1914 die Mobilmachung des deutschen Heeres und der Marine befiehlt -
alle Wehrdienstpflichtigen haben sich unverzüglich bei den Behörden zu melden:
Das Deutsche Kaiserreich befindet sich als Verbündeter des Kaisserreichs
Österreich-Ungarn im Krieg mit dem Kaiserreich Russland, dem Kaiserreich
Frankreich und wenige Tage später auch mit dem Königreich England.
Im Krieg
Dietrich Wilhelm Heinrich Casten ist 31 Jahre alt, als er sich von
seiner Familie verabschiedet und auf den Weg macht, um sich den
Militärbehörden zu gestellen. Zwei Wochen vor seinem 32.Geburtstag, am
11.Januar 1915 tritt er in Osnabrück als Ersatz-Reservist seinen Militärdienst bei
dem Ersatz-Bataillon des Reserve-Infanterie-Regimentes Nr.78 an. Nach 3
Monaten ist seine Ausbildung abgeschlossen, nun ist er frontdienstfähig.
Am 10.April 1915 wird Dietrich Wilhelm Heinrich Castens als Nachersatz zur
1.Kompagnie des 10.lothringischen Infanterie-Regiments Nr.174 kommandiert.
Das Regiment steht zu dieser Zeit als Teil der 31.Infanterie-Divison in Stellungs-
kämpfen an der Ostfront bei Mariampol in Lithauen, südwestlich von Kowno.
Für die nächsten 2 1/2 Jahre bleibt die 31.Infanterie-Division an diesem
Frontabschnitt der nördlichen Ostfront. In der östwärts vorrückenden Frontlinie
überlebt Dietrich Wilhelm Heinrich Casten in der 1.Kompagnie des Infanterie-
Regimentes Nr.174 die Belagerung und Einnahme von Kowno, die Schlachten am
Njemen und bei Wilna im Sommer und Herbst 1915, im Frühjahr 1916 die
Schlacht bei Postawy. Bis Dezember 1917 dann Stellungskämpfe am Narotsch-
See, südlich von Dünaburg.
Im Oktober 1917 wird in Russland der Zar durch Revolution entmachtet - die
Bolschewiki herrschen nun in Russland. Um die Unterstützung des russischen
Volkes und auch des kriegsmüden russischen Heeres für ihre Revolution zu
gewinnen, hatten sie "Brot und Frieden" versprochen. Anfang Dezember 1917
bieten sie dem deutschen Kriegsgegner den Waffenstillstand an der Ostfront an -
nach einer vereinbarten Waffenruhe ab 7.Dezember 1917 tritt er ab 15.Dezember
1917 in Kraft.
Schon am 12.Dezember 1917 erreicht die 31.Infanterie-Division der Befehl
zum Abtransport von der Ostfront. Es wird mit dem Infanterie-Regiment Nr.174
und Dietrich Wilhelm Heinrich Casten an die Westfront verlegt, nach Flandern,
wo es am 18.Dezember 1917 eintrifft. Nach vierwöchiger Ausbildung für die
besonderen Bedingungen des Stellungskrieges an der Westfront kommt die
31.Infanterie-Divison ab Mitte Januar 1918 mit ihren Regimentern in den
Fronteinsatz.
In einer Frühjahrsoffensive 1918 an der Westfront plant die deutsche
Heeresleitung unter Aufbietung aller verfügbaren Kräfte so nachhaltige Erfolge
zu erringen, dass die Kriegsgegner an den Verhandlungstisch gezwungen werden
können: Die "Große Schlacht in Frankreich", die "Operation Michael", Ende
März 1918 an der Front bei Arras im Artois.
Die 31.Infanterie-Division nimmt an der "Operation Michael" nicht teil, sie
bleibt während dieser Zeit im Stellungskrieg in Belgisch-Flandern eingesetzt.
Trotz der anfänglichen Erfolge der "Operation Michael" kann diese Offensive
die Ziele nicht erreichen, die die deutsche Heeresleitung gesteckt hat, sie wird
am 5.April 1918 eingestellt.
Schon 4 Tage später, am 9.April 1918, löst die deutsche Herresleitung eine
zweite Offensive aus, nun gegen die englische Front in Flandern, im Lys-
Abschnitt bei Ypern, die "Operation Georgette".
Auch die 31.Infanterie-Division mit Dietrich Wilhelm Heinrich Castens in
der 1.Kompagnie des Infanterie-Regimentes Nr.174 ist unter den Divisionen, die
für diesen Angriff gegen den englischen Gegner bereitgestellt werden. Am 9.
April 1918 beginnt die "Schlacht um Armentières" in der "Operation Georgette".
Die 31.Infanterie-Division kämpf sich unter großen Verlusten in ihrem
Frontabschnitt zwischen Ypern und Armentières bei Waasten/Warneton durch
die tief gestaffelten englischen Stellungen nach Nordwesten Richtung
Kemmelberg, dem deutschen Angriffsziel.
Am 10.April 1918 erreicht das Infanterie-Regiment Nr.174 den durch
Stacheldrahtverhaue gesicherten und mit starken englischen Truppenverbänden
besetzten Wald von Ploegsteert. Die mehrtätigen deutschen Versuche, den Wald
zu erobern, scheitern. Am 12.April 1918, an dem Tag, an dem der Wald von
Ploegsteert schließlich durch Umfassung in deutsche Hand fällt, wird der Ersatz-
Reservist Dietrich Wilhelm Heinrich Casten von Gewehrkugeln in Brust und
Arm tödlich getroffen. Er wurde 35 Jahre alt..
Nachgeschichte
Während Dietrich Wilhelm Heinrich Casten beim Infanterie-Regiment
Nr.174 im Stellungskrieg am Narotsch-See an der Ostfront steht, überträgt ihm
sein Vater Heinrich Christoph Wilhelm Casten im Februar 1916 das Eigentum an
der Anbauerstelle "Cassens" zu Schwalingen No.57.
Dietrich Wilhelm Heinrich Casten kann sein Erbe nicht antreten. Er fällt am
12.April 1918 im Angriff seines Regimentes in Flandern.
Ein halbes Jahr später, am 31.Oktober 1918, stirbt Heinrich Christoph
Wilhelm Casten im Alter von 67 Jahren. Er hinterlässt auf dem "Cassens-Hof"
seine Ehefrau Magdalene, geborene Harms, und seine verwitwete
Schwiegertochter Marie Dorothee, mit den 3 kleinen Enkeln Heinrich, Minna
und Mariechen.
Im Januar 1920 wird das Eigentum der Anbauerstelle "Cassens" zu
Schwalingen No.57 den minderjährigen Kindern von Dietrich Wilhelm Heinrich
Casten und seiner Witwe Marie Dorothee, geborene Sandmann, Heinrich, Minna
und Mariechen, in ungeteilter Erbengemeinschaft übertragen.
Die Anbauerstelle “Cassens” zu Schwalingen No.57, um 1910