Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs
* 3.Februar 1891 †15.August 1981
Häusling Anbauer “Schün”, Schwalingen No.4a
Schwalingen im Herbst 1914
Vorgeschichte
Hinrich Christoph Friedrich Jürgen Röhrs ist in Sprengel gebürtig und
Anfang 1890 Dienstknecht im nachbarlichen Schwalingen. Hier lernt er Anna
Marie Böhling kennen, Tochter des Häuslings Peter Christoph Böhling, "Bääk-
Hus" zu Schwalingen No.48, und dessen 2.Ehefrau Anna Maria geborene Müller
aus Grauen.
Im April 1890 heiraten Hinrich Christoph Friedrich Jürgen Röhrs und Anna
Marie Böhling. Er ist 36 Jahre alt, sie ist 12 Jahre jünger, 24 Jahre alt. Hinrich
Röhrs ist wohl Dienstknecht auf der Anbauerstelle "Schün" zu Schwalingen No.4
bei dem Schwalinger Gemeindevorsteher Wilhelm Hermann Witte *1865. Denn
die junge Familie Röhrs bezieht als Häuslinge das Häuslingshaus auf dem
"Schün"-Hof, Schwalingen No.4a. Hier wird am 3.Februar 1891 ihr Sohn Hinrich
Christoph Wilhelm geboren.
Auch in den nächsten beiden Jahrzehnten arbeitet Hinrich Christoph
Friedrich Jürgen Röhrs auf dem "Schün"-Hof und lebt mit seiner Familie im
Häuslingshaus zu Schwalingen No.4a.
Im Krieg
Als am 3.August 1918 der 1.Weltkrieg ausbricht, ist Hinrich Christoph
Wilhelm Röhrs 23 Jahre alt. Er erfährt aus der "Böhme-Zeitung, dass Kaiser
Wilhelm II. den Befehl zur Mobilisierung des deutschen Heeres und der Marine
erteilt hat. Alle Wehrpflichtigen haben sich unverzüglich den Militärbehörden zu
stellen. Deutschland befindet sich als Verbündeter des Kaiserreichs Österreich-
Ungarn im Krieg mit dem Kaiserreich Russland und dem Kaiserreich Frankreich.
Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs wird als Musketier zum 2.Hannoverschen
Infanterie-Regiment No.77 eingezogen und dem III.Bataillon, 12.Kompagnie
zugeteilt. Auch Cousin Ernst August Böhling, der Neffe seiner Mutter aus dem
"Bääk-Hus" zu Schwalingen No.48, ist als Musketier zum Infanterie-Regiment
Nr.77 eingezogen, II.Bataillon, 6.Kompagnie.
Schon am 8.August 1914 befinden sich Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs
und sein Cousin Ernst August Böhling bei ihren Einheiten im Infanterie-
Regiment Nr.77 im Lager des Truppenübungsplatzes Elsenborn südlich von
Aachen, nahe der belgischen Grenze. Am 11.August 1914 marschieren sie mit
ihrem Regiment als Teil der 20.Infanterie-Division in der 2.Armee des deutschen
Heeres in das neutrale Belgien ein. Das Königreich England erklärt dem
deutschen Kaiserreich daraufhin den Krieg.
Es ist der Plan der deutschen Heeresleitung, mit ihren 7 Armeen in einer
einzigen großen Bewegungsschlacht das französische Heer vernichtend zu
schlagen, der "Schlieffen-Plan". Die Mannschaften des deutschen Heeres sind
daher überwiegend zuversichtlich, "schon zu Weihnachten 1914 siegreich wieder
“Zuhause" zu sein.
Bis Anfang September 1914 haben die deutschen Armeen Belgien durchquert
und stehen in Nordfrankreich. Das Infanterie-Regiment Nr.77 mit den Cousins
Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs und Ernst August Böhling bewegt sich dabei
in der 20.Infanterie-Division auf dem im "Schlieffen-Plan" für die 2.Armee im
Vormarsch vorgesehenen Bogen über Lüttich, Charleroi in Belgien und weiter
auf französischem Gebiet nach Guise und St.Quentin in der Picardie.
Es ist Ende August 1914, als die Divisionen der 2.Armee zum Angriff auf
St.Quentin und Guise an der Oise vorgehen. Es entbrennt die "Schlacht bei
Guise". Am 28.August erkämpft die 20.Division mit ihren Regimentern den
Übergang über den Fluss Oise bei Flavigny-le-Grand östlich von Guise. Am
darauf folgenden Tag, es ist der 29.August 1914, tritt die 20.Division mit Hinrich
Christoph Wilhelm Röhrs und Ernst August Böhling im Infanterie-Regiment
Nr.77 morgens um 7 Uhr an - zum Vormarsch nach Süden auf der Landstraße
nach Màrle. Bei dem kleinen Dorf Audigny treffen die Bataillone des Regiments
auf heftigen Widerstand des französischen Gegners.
Bei den verlustreichen Kämpfen in den folgenden Stunden des 29.August
1914 bei dem Dorf Audigny wird der Musketier Hinrich Christoph Wilhelm
Röhrs an der 12.Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr.77 verwundet. Er wird
von seinen Kameraden geborgen und an das Feldlazarett 11 des VII.Armee-Korps
überwiesen.
Cousin Ernst August Böhling überlebt die "Schlacht bei Guise" unversehrt.
Wenige Wochen später aber, Ende September 1914, wird er in den Gefechten bei
Pompette, östlich der Stadt Reims, verwundet... mehr.
Nachgeschichte
Es ist Herbst 1914 in Schwalingen als Hinrich Christoph Friedrich Jürgen
Röhrs und und seine Ehefrau Anna Marie im Häuslingshaus auf dem "Schün"-
Hof zu Schwalingen No.4a einen amtlichen Brief erhalten. Er kommt vom
Kommandeur des 2.Hannoverschen Infanterie-Regimentes Nr.77 und enthält die
Sterbeanzeige zu ihrem Sohn, dem Musketier Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs
in der 12.Kompagnie des Regimentes: Nach seiner Verwundung am 29.August
1914 verstarb er im Feldlazarett 11 des VII.Armee-Korps bei Guise am
1.September 1914.
Vielleicht war es die erste Sterbeanzeige zu einem Kriegsteilnehmer, die in
Schwalingen nach dem Kriegsbeginn eintraf. Vielleicht traf sie zusammmen mit
der Sterbeanzeige für den Füsilier Hinrich Christoph Röhrs, den Anerben vom
Halbhof "Tönners" zu Schwalingen No.21 ein, der am 8.September 1914 an der
Westfront in Lothringen fiel. Jedenfalls war mit diesen Nachrichten der Krieg
mit seinem Leid und seinen Sorgen in Schwalingen und seinen Familien
angekommen.
Im Oktober 1914 wird die Verwundung von Hinrich Christoph Wilhelm
Röhrs in der 12.Kompagnie des Infanterie-Regimentes Nr.77 in den Verlustlisten
des Deutschen Heeres bekannt gegeben.
Zwei Monate später meldet das Infanterie-Regiment Nr.77, dass der bisher
verwundete Musketier Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs nach Genesung wieder
zur Truppe an die Front, zur 12.Kompagnie des Regiments zurückgekehrt ist.
Von diesem Lebenszeichen ihres als verstorben gemeldeten Sohnes erfahren
seine Eltern Hinrich Christoph Friedrich Jürgen Röhrs und und seine Ehefrau
Anna Marie im Häuslingshaus auf dem "Schün"-Hof zu Schwalingen No.4a
nichts: Mitte März 1915 tragen sie die Sterbeanzeige des Regiments-
Kommandeurs zum Standesamt nach Neuenkirchen und lassen den Tod ihres
Sohnes urkundlich in das amtliche Sterbe-Register aufnehmen.
Ob in den nächsten Monaten doch ein Lebenszeichen von Hinrich Christoph
Wilhelm Röhrs bei seinen Eltern in Schwalingen eintraf ? Oder wurde bei den
Militärbehörden der tragische Irrtum über seinen Tod bemerkt ? Jedenfalls trifft
im Winter 1915/1916 die Ungültigkeits-Erklärung der Sterbeanzeige vom
Preußischen Kriegsministeriums ein "im Falle des als verstorben gemeldeten
aber noch am Leben befindlichen Musketiers Röhrs aus Schwalingen". Der
Regierungspräsident zu Lüneburg, zu dessen Regierungsbezirk Schwalingen
gehört, verfasst am 4.Februar 1916 einen entsprechenden Erlass zur
Berichtigung der amtlichen Register. Daraufhin ersucht der Neuenkirchener
Standesbeamte Witte Mitte März 1916 seine vorgesetztes Behörde in Soltau, die
Löschung des Sterbeeintrages für Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs anzuweisen.
Offensichtlich ist diese rechtlich notwendige Anweisung durch den
Vorsitzenden des Kreisausschusses des Kreises Soltau an den Standesbeamten
Witte zu Neuenkirchen nicht erfolgt: Der Sterbeeintrag vom März 1915 für
Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs wurde nie gelöscht.
Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs überlebt den 1.Weltkrieg und kehrt nach
dem Waffenstillstand am 11.November 1918 und der folgenden Demobiliserung
des deutschen Heeres in sein Elternhaus, in das Häuslingshaus auf dem "Schün-
Hof" zu Schwalingen No.4a zurück. Aber seine Kriegsverletzung hat bleibende
Schäden an ihm hinterlassen - ihm ist eine 30%ige Erwerbesbeschränkung
amtlich bestätigt.
Nach seiner Heirat am 29.Dezember 1921 mit Anna Minna Heitmann aus
Brochdorf lebt Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs zunächst in seinem Elternhaus
zu Schwalingen No.4a. Hier wird Sohn Karl Anfang März 1922 geboren.
Als der frühere Interimswirt des Vollhofes "Schnier" zu Schwalingen No.9,
Friedrich Wilhelm Baden, stirbt, ergibt sich für die junge Familie Röhrs die
Gelegenheit, einen eigenen Hausstand zu gründen: Friedrich Wilhelm Baden
verbrachte seine letzten Lebensjahre als Altenteiler und Pächter in dem früheren
Häuslingshaus des "Schnier"-Hofes, Schwalingen No.11 (früher 9a). Diese
Hofstelle steht nun zur Neuverpachtung und so wird Hinrich Christoph Wilhelm
Röhrs Pächter des "Schnier's Hüslhus".
5 weitere Kinder werden in der Familie Röhrs im "Schnier’s Hüslhus" zu
Schwalingen No.11 geboren: Sohn Hermann im Oktober 1926, Sohn Ernst im
Juni 1929, Tochter Elli im August 1935, im Oktober 1936 Sohn Hinrich. Als
Tochter Inge im Juli 1943 geboren wird, ist in Deutschland schon seit 3 Jahren
wieder Krieg und Sohn Karl bereits an der Ostfront gefallen.
Nach dem 2.Weltkrieg, zu Beginn der 1950er Jahre, siedelt Hinrich
Christoph Wilhelm Röhrs mit seiner Ehefrau Anna Minna in dieFamilie seines
Sohnes Ernst über, in dessen neu errichtetes Haus zu Schwalingen No.72. Neuer
Pächter der Hofstelle Schwalingen No.11 ist sein Sohn Hermann bis zu dessen
Tod im Februar 1984.
Im Januar 1972 wird Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs Witwer. 9 Jahre
später stirbt er im Alter von 90 Jahren am 15.August 1981 im Hause seines
Sohnes Ernst zu Schwalingen No.72.
So befinden sich nun zwei Einträge im standesamtlichen Urkundenbuch
über Sterbefälle in Schwalingen für Hinrich Christoph Wilhelm Röhrs - im
Abstand von mehr als 65 Jahren.
Das Häuslingshaus des Anbauers “Schün”
zu Schwalingen No.4a (nicht mehr vorhanden), um 1900
Die 20.Infanterie-Division in der “Schlacht bei Guise” Ende August 1914.
Der deutsche Vormarsch bis Ende August 1914
Deutsche Verlustliste Oktober 1914
Deutsche Verlustliste Dezember 1914
“betrifft Berichtigung des Sterberegisters bezügl. des als
verstorben gemeldeten aber noch am Leben befindlichen
Musketiers Röhrs aus Schwalingen.”
Das frühere Häuslingshaus des Vollhofes “Schnier”
zu Schwalingen No.11