Das Denkmal
im Heidedorf Schwalingen
Gustav Lünzmann
* 26.November 1897
28.November 1917
Halbhof “Born”, Schwalingen No.34
Schwalingen, im August 1914
Mit bangen Befürchtungen hatten die Familien in Schwalingen schon in den
vergangenen Tagen die Nachrichten verfolgt, die das kleine Heidedorf
erreichten. Nun ist es Gewissheit: Krieg ! Das Deutsche Reich hat als
Bündnispartner des Kaiserreiches Österreich-Ungarn dem Kaiserreich Russland
am 1.August den Krieg erklärt. Zwei Tage später, am 3.August 1914 folgt die
Kriegserklärung an das Kaiserreich Frankreich.
Wenn vielleicht auch hier und da Begeisterung im Dorf zu hören ist, dass es
gegen den "Franzmann" geht, wie so siegreich vor über 40 Jahren, so zieht doch
im engen Kreis der Familie die Sorge um ihre Väter, Söhne und Brüder ein, die
in den Krieg ziehen werden.
Ausführliche Einzelheiten erfährt auch die Familie Lünzmann auf dem
Schwalinger Halbhof "Born”, Haus-No.34, am Montag, den 3.August 1914 zu
früher Stunde aus der "Böhme-Zeitung". Unübersehbar, gleich auf der 1.Seite, ist
der Befehl des Kaisers Wilhelm II. abgedruckt: "Seine Majestät der Kaiser haben
die Mobilmachung der Armee und Marine befohlen".
Auch alle "militärisch nicht ausgebildeten Landsturmpflichtigen" werden
aufgerufen: "Alle Wehrpflichtigen des Deutschen Reiches, welche in den Jahren
1870 bis 1897 einschließlich geboren sind, werden aufgefordert, sich spätestens
am 8.Landsturmtag bei der Ortsbehörde ihres Aufenthaltsortes zur
Landsturmrolle anzumelden".
Von dieser Aufforderung wird auch der Sohn Gustav Lünzmann auf dem
"Born-Hof" erfasst. Er ist am 26.November 1897 geboren und gehört damit zu
dem jüngsten Jahrgang der durch den Befehl des Kaisers bei Kriegsausbruch zu
den Waffen gerufen wird. Erst im kommenden November 1914 wird er 17 Jahre
alt und damit nach den preußischen Gesetzen wehrdienstpflichtig. Deshalb hat
Gustav Lünzmann bisher auch noch keine Rekrutenausbildung erfahren.
Bis zum 16.August 1914 muss sich Gustav Lünzmann nun beim Schwalinger
Gemeindevorsteher Wilhelm Witte auf dem "Schün-Hof" melden, um sich in die
Landsturmrolle eintragen zu lassen. Früher oder später wird er den
Gestellungsbefehl von der zuständigen Militärbehörde erhalten. Dann muss er
einrücken. Bis dahin kommt nun auch noch Ungewissheit auf dem "Born-Hof".
Denn die Familie Lünzmann hat es nicht leicht in dieser Zeit. Es ist kaum 3
Jahre her, dass der Vater Hinrich Friedrich Lünzmann starb, im November 1911,
mit 61 Jahren. Nun führt sein ältester Sohn und Erbe den "Born-Hof" und die
Familie, Friedrich Wilhelm Lünzmann, 26 Jahre alt. Seit Dezember 1912 ist er
mit Anna Maria Ida, geborene Meyer von der Anbauerstelle "Ole Meyer" zu
Schwalingen No.36 verheiratet. Jetzt bei Kriegsausbruch ist sie 19 Jahre alt.
Drei Jahre später, im Herbst 1917, ist Gustav Lünzmann, nun 19 Jahre alt,
Soldat im Kriegsdienst und Musketier in der 2.Kompagnie des I.Bataillons des
Reserve-Infanterie-Regimentes Nr.231. Das Regiment ist Teil der 50.Reserve-
Division, die zu dieser Zeit an der Westfront eingesetzt ist.
Die Soldaten der 50.Reserve-Divsion sind erschöpft. Von Anfang Juni bis
Ende September 1917 kämpften sie in der "Dritten Flandernschlacht" bei Ypern
im belgischen Flandern. Der von ihren Regimentern gegen die englischen
Durchbruchversuche zu verteidigende Frontabschnitt lag südwestlich von
Roulers. Die erbitterten Grabenkämpfe um wenige Meter Gelände waren
äußerst verlustreich. Aber den Angriffen der feindlichen englischen Truppen
konnte der Erfolg letztlich verwehrt werden. Das Reserve-Infanterie-Regiment
Nr.231 mit Gustav Lünzmann errang besonderen Ruhm durch die
Rückeroberung der Orte St.Julien und Langemarck und bei den Angriffen auf die
englischen Stellungen am Polygonwald.
Ende September 1917 wird die 50.Reserve-Division von anderen deutschen
Einheiten in ihrem Frontabschnitt abgelöst. Sie wird mit ihren Regimentern an
einen Frontabschnitt weiter südlichen verlegt, in das französische Flandern, bei
Aubers, südwestlich von Lille.
Dieser neue Frontabschnitt der 50.Reserve-Division gilt zu dieser Zeit als
"ruhige Front". Die Gefechtstätigkeit ist gering, sie beschränkt sich auf
"gelegentlichen gegenseitigen Artillerie- und Maschinengwehrbeschuss". Den
deutschen Soldaten in ihren Grabenstellungen liegen auf Rufweite feindliche
portugiesischen Soldaten in ihren Gräben gegenüber. Hier sollen sich Gustav
Lünzmann und seine Kameraden von den Strapazen der vergangenen Monate
"erholen" und ihre stark gelichteten Reihen aufgefüllt, Waffen und Material
instand gesetzt und neue Gefechtstaktiken eingeübt werden.
Mit einem langen Verbleiben in dieser "ruhigen" Stellung hatten die
Soldaten in den Regimentern der 50.Reserve-Division nicht gerechnet. Doch erst
zwei Monate später, Ende November 1917 ändert sich der Auftrag:
Am 20.November 1917 hatte der englische Gegner völlig überraschend in
einem Großangriff, begleitet von fast 500 "Panzerkraftwagen", die zu dieser Zeit
schwach besetzten deutschen Stellungen im "Cambrai-Bogen" auf einer Breite
von 10 Kilometern überrannt - die erste Panzeroffensive der Geschichte. Bis zum
Abend des 20.November 1917 drangen die englischen Truppen 9 Kilometer in
das Gebiet hinter der deutschen Front ein.
Die deutsche Heeresleitung befiehlt den Gegenangriff und ordnet hierzu 23
Division um. Auch die 50.Reserve-Division mit dem Reserve-Infanterie-
Regiment Nr.231 und Gustav Lünzmann ist darunter. Sie wird als
Eingreifdivision in den Raum Douai befohlen.
Während in den höheren Stäben der Division die Vorbereitung für diese
Verlegung befehlsgemäß anlaufen, versehen die Soldaten des Reserve-Infanterie-
Regimentes Nr.231 ihren Dienst an ihrem bisherigen Frontabschnitt bei Aubers
unverändert weiter. Am 28.November 1917, zwei Tage vor ihrem Abtransport in
den Raum Douai, ist die 2.Kompagnie zum Grabendienst eingeteilt. Der
Musketier Gustav Lünzmann steht nachmittags um 5 Uhr in der beginnenden
Dämmerung auf Posten im vordersten Graben, als er von einer explodierenden
feindlichen Granate tödlich getroffen wird. Es ist zwei Tage her, dass er mit
seinen Kameraden seinen 20.Geburtstag feierte.
Am folgenden Tag, dem 29.November 1917, unterschreibt der Führer der
2.Kompagnie, Leutnant der Landwehr Kurt Goldschmidt, die Mitteilung über
Gustav Lünzmanns Heldentod an dessen Bruder Friedrich auf dem "Born-Hof"
zu Schwalingen und schließt: "... Ihr Bruder war ein braver Soldat. Herzliches
Beileid !"
Gustav Lünzmann wird von seinen Kameraden auf dem Ehrenfriedhof
Fournes beerdigt, unweit Aubers, der nächste größere Ort ist La Bassée. Dieser
Friedhof wurde von der deutschen Truppe für die auf dem Vormarsch im Jahre
1914 Gefallenen angelegt.
Musketier Gustav Lünzmann.
an der Westfront im
belgischen und fran-
zösischen Flandern, im
Sommer und Herbst 1917.
Nachricht von
Gustav Lünzmanns
Heldentod an seinen
Bruder Friedrich.
Der Heldenfriedhof
Fournes bei La Bassée
im Jahre 1917
Die Familie Lünzmann ließ
dieses Gemälde zum Gedenken
an Gustav Lünzmann
anfertigen.
Die Grabstätte von
Gustav Lünzmann auf dem
Ehrenfriedhof von
Fournes-en Weppes heute.
Am 22.12.1917 wird der Tod von Gustav Lünzmann *26.11.1897
im Deutschen Armee-Verordnungsblatt bekanntgegeben.